Axel Klausmeyer in der Berliner Zeitung v. 17.07.2013

Der oberste Mauerschützer Axel Klausmeier fordert bei der künstlerischen Erweiterung der East Side Gallery ein denkmalpflegerisches Gesamtkonzept. Ohne dieses würde die Berliner Mauer ihre historische Einzigartigkeit verlieren.

Die künstlerische Auseinandersetzung mit Mauern in der Welt ist überaus wichtig und auch das Nachdenken darüber, in welches Verhältnis sich diese Mauern zur Einzigartigkeit der Berliner Mauer setzen lassen, ist unterstützenswert, regt dieser Diskurs doch auch die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte an.

Und diese Auseinandersetzung wird die Singularität der Berliner Mauer in der Geschichte noch einmal herausarbeiten, denn keine andere Mauer in der Geschichte der Menschheit wurde je von einem Regime gebaut, um Feinde und Gegner des Systems nicht fernzuhalten und auszusperren, sondern vielmehr, um die eigene Bevölkerung einzusperren und an der Flucht zu hindern.

Fraglich ist vielmehr, ob diese Auseinandersetzung gerade auf der der Spree zugewandten Seite der sogenannten East Side Gallery geschehen muss. Denn der künstlerischen Widmung und Formung der East Side Gallery, die ein wichtiger Bestandteil des im Jahre 2006 verabschiedeten dezentralen „Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer“ des Senates ist, droht mit dieser durch den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als „Erweiterung“ definierten Setzung die vollständige Unkenntlichkeit.
Die Bemalung der einstigen Hinterlandmauer durch Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt im Jahr 1990 war Teil der befreienden Aneignung der einst tödlichen Grenzanlagen. Durch die nunmehr erfolgte Plakatierung der „Wasserseite“ wird die ursprüngliche einmalige künstlerische Gestaltung relativiert und der Beliebigkeit preis gegeben.

Nicht die neue, nun entwickelte Ausstellung der neuen „Mauerbilder“ auf der Rückseite der East Side Gallery an sich, sondern die Entwicklung, für die sie steht, ist das Problem. Ohne Zweifel ist die Gegend um die East Side Gallery ein lebendiger Ort. Der Spreeraum repräsentiert wie fast kein anderer Ort in der Stadt die ganz unterschiedlichen Phasen des Wandels Berlins seit dem Fall der Mauer: Freude über die Überwindung und Aneignung der Mauer, Nutzung der neu entstandenen Freiräume, die Verbindung von Kreativität und Arbeitsplätzen und neuer „Normalität“ in der Mitte der Bundeshauptstadt.

Die Mitte Berlins wird so zur pulsierenden Mitte einer Metropole. Durch die durch den Bezirk längst erteilten Baugenehmigungen für Großbauten im einstigen Mauerstreifen und insbesondere durch die nun auch noch genehmigte künstlerische Gestaltung auf der Rückseite droht die East Side Gallery damit zu einem beliebigen, touristischen Ort in Berlin zu verkommen.

Zu einer im Grunde x-beliebigen Mauer, die man von beiden Seiten bemalen und künstlerisch inszenieren kann. Eine Mauer, die, sieht man einmal von der einstigen Übersteigsicherung auf dem L-förmigen Tragkörper ab, nicht mehr von anderen Mauern unterscheidbar ist, weil sie zu einer durchgängig genutzten Trägerfläche verändert wurde.

Genau das ist sie aber nicht, denn es handelt sich hier – trotz und gerade wegen der mehrfachen Sanierungen der letzten Jahre – um das längste noch erhaltene Element der einst weltweit bekannten, Menschenverachtenden und Todbringenden Berliner Mauer.

Daraus resultiert eine besondere politische Verantwortung und Fürsorgepflicht. Städte und historisch bedeutende Stadtstrukturen können und müssen weiterentwickelt werden. Sie müssen aber dort, wo ihr historischer Wert besonders charakteristisch ist, eben auch gepflegt und erhalten werden, um ihre kulturelle Besonderheit zu bewahren.

Dabei geht es im Kern nicht nur um die Lebensqualität ihrer Bewohner oder um die touristische Attraktivität, sondern auch um das historische Fundament des sich wandelnden Berlins.

Diese Stadt gründet, wie kaum eine andere auf der neueren Geschichte. Ohne sie ist Berlin nicht zu verstehen, denn Berlin sei, so heißt es, das „Rom der Zeitgeschichte“ (Rainer E. Klemke). Die Kraft der East Side Gallery besteht in der Tatsache, dass hier die Freude und die Euphorie über den Mauerfall sowie die künstlerische Aneignung des verhassten Bauwerks nachzuempfinden ist.

Zugleich aber ist sie auch das längste noch erhaltene Element der Berliner Grenzanlagen. Gerade weil schon die Ostseite des Mauerstücks mit der nach 1990 entstandenen Bildergalerie gestaltet wurde, muss die dem Wasser zugewandte Westseite langfristig in ihrem historischen weißen Zustand belassen werden.

Das war nicht nur Teil des ursprünglichen Konzeptes der Künstlerinitiative von 1990, sondern diese konzeptionelle Entscheidung war auch die Grundlage für das mit öffentlichen Mitteln geförderte Sanierungskonzept des Jahres 2009. Damals nämlich wurde im Rahmen der Totalsanierung der Gemälde auf der einen Seite die Wasserseite sehr bewusst wieder weiß gestrichen, um zumindest wasserseitig noch den Eindruck eines baulichen Restes der einstigen Grenzanlagen zu vermitteln.

Durch den Einsatz öffentlicher Mittel resultiert immer auch eine juristisch vorgegebene (Mindest)-Laufzeit eines Projektes, um die Nachhaltigkeit der eingesetzten Mittel zu garantieren. (Mittelbindung). Auch dies gilt es – nolens volens – beim Nachdenken über den Umgang mit diesem in der Denkmalliste des Landes Berlins befindlichen Denkmal zu berücksichtigen, um einer Rückforderung der damals eingesetzten öffentlichen Mittel vorzubeugen.

Um diesen stadtgeschichtlich bedeutenden Ort zukünftig noch viel mehr als bisher nicht nur mit seiner einzigartigen Prägung zu erhalten, sondern ihn gleichzeitig auch noch viel besser zu erklären und zu vermitteln, muss dieser Ort zukünftig mindestens noch mit weiteren Erklärungen und einem denkmalpflegerischen Gesamtkonzept ausgestattet werden, um nachhaltige Perspektiven nicht nur für ihn selbst, sondern für diesen wichtigen Teil Berlins zu entwickeln. Dann erst können sowohl die Freude über die Überwindung der Mauer als auch zumindest ansatzweise der Schrecken, der von dieser Mauer ausging, verstehbar bleiben.

 

 

 

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